Also dieser “Prof.Dr.med. Bernd Michael Fischer“ lässt mir ja keine Ruhe. Das Ausgangs-PDF strotzt vor Banalitäten, unbelegten oder längst widerlegten Behauptungen und völligem Unfug.
Das PDF scheint auch ohne Prüfung auf den Seiten des Süddeutschen Ärztechors gelandet zu sein, denn selbst das Zitat dort, „Die Musik ist schon immer über alle Kultur- und Sprachschranken hinweg ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation, des Gemeinschaftslebens. (Cross 2001)“, findet sich nicht im Original-Paper von Ian Cross, das übrigens auf Englisch ist.
Eine andere Stichprobe, siehe unten, ist ebenfalls eine erfundene Quelle.
Das sieht doch sehr nach einem potemkinschen Text aus, der nur wie Wissenschaft aussieht, aber bei jeder genaueren Prüfung sofort zerfällt.
Was ich an Artikeln von Fischer finde ist ebenso banal. Keine Studien, keine echte Wissenschaft. Häufig an hinterer Stelle als Co-Autor genannt oder Herausgeber ohne nennenswerten Beitrag. Nach 1985 nichts mehr ausser Hirn-Jogging (was keinen seriösen Wirknachweis hat).
Die Wisiomed GmbH, in der er seine populär-/pseudo-medizinischen Hirnjogging-Sachen veröffentlich ist sein eigenes Label und hat bloss eine t-online-Adresse.
Die „über 100 Bücher“ laut der von ihm selbst über sich erstellten Wikipedia-Seite lassen sich nicht finden. Die deutsche Nationalbibliothek listet 31 Einträge, davon viele mehrfach (Auflagen) und das meiste populärer Hirn-Selbsthilfe-Kram, aber auch Exotika wie „Das süddeutsche Frauenlexikon für männliche Anfänger“.
Kurz gesagt: Dieser Fischer sieht mir ziemlich fishy aus.
Mal sehen, was der süddeutsche Ärztechor dazu sagt. friend.enby-box.de/display/980…
@Tarpan (extinct) | floAlso nochmal meine Kernpunkte: Gehirne passen sich an, aber haben per se kein Geschlecht. Die statistischen Unterschiede sind marginal und die Überdeckung viel größer.
Damit zu deinem PDF. Der zitierte Satz lautete "Da Frauen bereits beim Sprechen und erst recht beim Singen beide Hirnhälften benutzen, ist es verständlich, dass sie im Vergleich zu Männern bessere Fähigkeiten in Bezug auf die Unterscheidung von Hörreizen aufweisen. (Supprian 1996; Lehrner 1993)"
Erstens versteigt er sich im Folgesatz zu dieser unbelegten, vorsintflutlichen Vermutung: "Dies ist stammesgeschichtlich verständlich, da die Frau die ursprüngliche Bezugsperson für das Baby darstellt. Sie hört aus den Lauten des Babys genauer als der Mann heraus, in welchem Gefühlszustand es sich befindet."
Zweitens steht in den zitierten Papers, Supprian 1996 und Lehrner 1993 nicht dergleichen drin. Lies es gerne nach.
Supprian und Kalus machten eine Literaturübersicht von Artikeln vor 1995! und bleiben im vagen. Leuter Konjunktive, keine hard facts und nichts über Hörreize.
Lehrner untersuchte Geruchsreize, kein Gehör, mittels subjektiver Merkmalszuordnung durch die VP. Und zwar mit "Twenty-seven male and 29 female students from the University of Vienna participated. They were between 18 and 27 years old", also eine sehr kleine, hoch selektierte Gruppe. Die Diversität dürfte auch nicht sonderlich hoch gewesen sein: Uni Wien, 1993. Bezüglich der Ursachen seiner geschlechtsspezfischen Resultate bleibt Lehrner bei Vermutungen.
Mindestens an dieser Stelle ist das PDF also komplett unseriös und wissenschaftlich falsch.
Mich würde interessieren, ob es zu Fischers Behauptung überhaupt eine Untersuchung gibt.
Ich spare mir die anderen zitierten Paper, die soweit ich sehe sämtlich 20 oder sogar über 30 Jahre alt sind. Das sind bei den Fortschritten in Kognitions- und Neurowissenschaften geradezu Generationen.
Wahrnehmungsforschung a'la Lehrner weiss erst seit ca 15 Jahren, wie stark der Einfluss von VP-Selektion, Setting und Priming gerade bei gender/sex-differenzierten Experimenten sind. Klassiker sind die geprimeten Mathe-Tests, bei denen mit zwei oder drei Gruppen gearbeitet wird. Eine bleibt ungeprimed, den anderen werden unauffällig Genderklischees verabreicht. Je nachdem schneiden Frauen oder Männer unterschiedlich gut ab.
Solch alte Studien müssen also nochmal sehr sorgfältig auf ihre Aussagefähigkeit untersucht werden.
Abgesehen davon finde ich zu dem Prof. Dr. med. Bernd Michael Fischer keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Nur jede Menge Marketing für seine populärwiss. Bücher und Trainings.
Also ja: Soweit ich das sehe, würde ich das PDF erstmal mit sehr spitzen Fingern anfassen und die Quellen genauer untersuchen. Die Stichprobe sagt jedenfalls: Unbelegte Behauptungen, irreführende, falsche und sehr alte Quellen und sehr vorsintflutliche, ebenfalls unbelegte Geschlechterdenke.
Calisti 🏳️🌈🦇 hat dies geteilt.