Heribert Prantl irrt; Zitat siehe unten.
Die aktuellen Analysen zeigen, dass fehlender Wohlfahrtsstaat nicht die Ursache ist, afd zu wählen (zumal die Partei staatliche Wohlfahrt generell abschaffen oder kürzen will).
Es ist vielmehr eine generell anti-demokratische, anti-pluralistische Haltung, die simpel keine Lust hat, auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen, Kompromisse einzugehen, solidarisch und respektvoll zu handeln, sich gemeinsam in einer komplexen Welt zu arrangieren.
Stattdessen wollen sie eine vereinfachte, gewaltsam homogenisierte Gesellschaft ohne „die anderen" und ohne Einschränkungen von „denen da oben“.
Nichts gegen eine modernisierte Neuauflage der Sozialdemokratie der 70er, im Gegenteil. Die wäre dringend nötig.
Aber kein noch so toller Wohlfahrtsstaat könnte afd-wählende zufriedenstellen, solange ihre Mitmenschen anders aussehen, anders sprechen, anders essen, anders leben und_oder lieben - oder anders heizen.
Wir sollten meines Erachtens endlich anerkennen, dass die Mehrheit in Deutschland eine ausgeprägte „Andersfeindlichkeit" hat. Der Begriff lautet konservativer (völkischer) Autoritarismus.
Das zieht sich durch die gesamte Bevölkerung, ist aber umso stärker, je rechter die gewählte Partei. Wobei die Wagenknecht-Partei das erklärte Sammelbecken für anderenfeindliche Linke ist.
Diese grundsätzliche Krise wird entweder durch politische und andere Bildung plus sehr viele Begegnungen und Konsensfindungen gelöst oder gar nicht.
Die aktuellen Debatten um angebliche Sachthemen werden jedenfalls nichts ändern und mehr Wohnungen, Buslinien und Kindergärten auch nicht. Obwohl sie natürlich trotzdem nötig sind.
Zitat Prantl:
„Man ist geneigt, den ramponierten Zustand der Bahn als eine Allegorie zu begreifen und den Titel des Buches [„Schaden in der Oberleitung“] nicht nur auf die Bahn zu beziehen, sondern auf eine Politik, die den Rückzug des Staates aus der Daseinsvorsorge betreibt und betrieben hat. Erst verschwand auf dem Land die Post, dann der Bahnhof, dann das Krankenhaus; dafür kam die AfD. Wenn Regierungspolitik sich für ein kluges Konzept geniert, das früher den Namen Wohlfahrtsstaat trug – dann darf man mit Fug und Recht auch dort einen „Schaden in der Oberleitung“ konstatieren. Das gute und hoffnungsfrohe Wort vom Wohlfahrtsstaat wird heute, selbst von Sozialdemokraten, mit einem abfälligen Unterton gebraucht. Ihr alter Stolz auf die soziale Sicherung und Förderung aller Bürgerinnen und Bürger wird abgelöst von einem raunenden Gerede über „Kriegstüchtigkeit“, um die man sich jetzt erst einmal kümmern müsse.
„Ein 100-Milliarden-Sonderprogramm fürs Militär und Aufrüstung, wie es als Reaktion auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine aufgelegt wurde (und das angeblich noch lange nicht ausreichend ist), täte auch den Schulen und den Kindergärten gut. Bezahlbarer Wohnraum, Renten, von denen man leben kann; ein Familiengrundgehalt: All dies wäre ein Beitrag zur Friedenssicherung, zur Sicherung des inneren Friedens nämlich. Eine wohlfahrtsstaatliche Politik ist ja nicht eine Politik der schmalzigen Reden, sondern eine Politik, die das Gefühl und die Realität von sozialer Wärme erzeugt. Daran fehlt es in Deutschland – und die Hochprozente für die AfD sind die Quittung dafür. Sie sind die Quittung für eine Politik, der die Schuldenbremse wichtiger ist als die Wohlfahrt der Menschen.“
(Prantls Blick, 2023-11-12)