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Müssen sich Politiker*innen an Gerichtsurteile halten?
Die Antwort lautet "eigentlich ja", ist aber nicht ganz banal.
Gem. Art. 20 GG ist die Exekutive - an ihrer Spitze die Regierung - "an Recht und Gesetz gebunden". Dazu gehören auch Gerichtsentscheidungen.
Aber: Urteile gelten grundsätzlich nur für die Beteiligten im Prozess und nur, wenn sie vorläufig oder wg. Rechtskraft vollstreckbar sind. Bei dem Verfahren wegen der Zurückweisung an der Grenze waren die Geflüchteten auf Klägerseite, beklagt war die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die zuständigen Behörden. Der Beschluss ist unanfechtbar, damit bindend. Die Bundesrepublik - und damit auch der Innenminister als Dienstherr der beklagten Behörden - müssten sich also daran halten.
Allerdings gibt es zwei Einschränkungen:
Der Beschluss erging in einem Eilverfahren als vorläufige Entscheidung. Es kann also noch eine Hauptsacheklage durch mehrere Instanzen folgen. Deren Ergebnis könnte anders lauten, auch wenn das nicht wahrscheinlich ist. Bis dahin gilt jedoch die vorläufige Entscheidung. Kein Bürger dürfte mit dem Argument "vielleicht geht die Hauptsache anders aus" oder "ich habe eine andere Rechtsauffassung" bindende Gerichtsentscheidungen ignorieren.
Und: der Beschluss bindet die Bundesrepublik rein formal nur in Bezug auf die drei Kläger, nicht generell. Das Argument zieht aber nur, soweit wirklich Besonderheiten des Einzelfalls entscheidend waren. Das VG Berlin hat hier aber klar auf Grundsätze des Asylrechts abgestellt.
Weil Art. 20 GG so klar regelt, dass sich die Exekutive an geltendes Recht halten muss, fehlen bei uns effektive Mittel, um staatliche Stellen zu zwingen, Einzelfall-Urteile überhaupt und vor allem generell umzusetzen. Das scheinen Dobrindt und Co. hier ausnutzen zu wollen.
Der richtige Weg im demokratischen Rechtsstaat wäre: die Politik müsste Mehrheiten in den zuständigen Parlamenten - in Deutschland und der EU - suchen, um das Recht zu ändern, soweit das Menschen- und Grundrechte zulassen. Dann wären wiederum die Gerichte an dieses Recht gebunden. Bis dahin müsste die Politik das geltende Recht anwenden und Urteile über den Einzelfall hinaus befolgen.
Einfach Urteile zu ignorieren und bewusst das Recht zu brechen, weil effektive Zwangsmittel fehlen, höhlt den Rechtsstaat aus und verstößt gegen die Gewaltenteilung. Denn es wird der Öffentlichkeit suggeriert, "wenn wir nicht machen können, was die [angebliche] Mehrheit will, steht die Justiz dem Volkswillen im Weg". Damit wird die Justiz gezielt delegitimiert.
Diese Art Vorgehen ist eher typisch für den "Umbau" von Demokratien in autoritäre Herrschaft. Diese Feststellung ist nicht alarmistisch. Sie ist sachlich.
VG Berlin: Zurückweisungen von Asylsuchenden rechtswidrig
Kritiker hatten davor gewarnt, nun sagt es ein Gericht: Asylsuchende an deutschen Grenzen zurückzuweisen, verstößt gegen EU-Recht. Eine Notlage sei nicht dargelegt.Legal Tribune Online
Florian Zumkeller-Quast
Als Antwort auf Jörg Müller • • •hier handelt es sich doch explizit um eine - im Beschluss so festgestellte - Vorwegnahme der Hauptsache. Es wird also keine Hauptsache mehr geben, oder?
Und da der Beschluss selbst bereits unanfechtbar ist (Dank der immer stärkeren Kürzung der Instanzen im Verwaltungsgerichtsverfahren und besonders im Asylverfahren) war das dann auch das letzte Wort in der Sache...
ClemensG
Als Antwort auf Florian Zumkeller-Quast • • •Klang im DLF anders: Mit Hauptsacheverfahren ist zu rechnen.
Wilfried Klaebe
Als Antwort auf ClemensG • • •@clemensg Das müssten, las ich, die Kläger anstrengen, die daran aber kein Interesse haben dürften, da der aktuelle Stand ja in ihrem Sinne ist. Die unterlegene Beklagte hingegen kann nicht.
@branleb @praesolgka
Florian Zumkeller-Quast
Als Antwort auf ClemensG • • •Trotz Gerichtsentscheidung: Dobrindt hält an Zurückweisungen fest
tagesschau.deClemensG hat dies geteilt.