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1. 🧵Heute ist wieder #MeerMittwoch und Zeit für den dritten Teil der "#Steampunk"-Schiffe, die es wirklich gab. Nach 3 besonders "steampunkigen" Konstruktionen: https://norden.social/@MartinM… und 3 U-Booten: https://norden.social/@MartinM… (2. Link, da der "Faden gerissen" ist: https://norden.social/@MartinM… ), geht es dieses Mal um experimentelle Kriegsschiffe, die vorsichtig ausgedrückt, nicht wirklich durchdacht waren. =>
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2. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war der technische Fortschritt im Schiffbau, im Dampfmaschinenbau, in der Metallurgie und in der Waffentechnik sehr schnell. Bei Handelsschiffen nahm man es in Kauf, nicht immer auf dem neuesten Stand zu sein, aber bei Kriegsschiffen herrschte ein allgemeiner Rüstungswettlauf. Das führte dazu, dass Kriegsschiffe oft schon beim Stapellauf veraltet waren. Es gab oft bizarre Fehlkonstruktionen, die manchmal für ihre Besatzungen lebensgefährlich waren. =>
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3. Eine besonders tragische Fehlkonstruktion war HMS CAPTAIN von 1869. Mit seiner schmiedeeisernen Panzerung, seinem Dampfantrieb und der in 2 drehbaren Panzertürmen montierten Hauptbatterie war das Schiff auf den ersten Blick recht innovativ und beeindruckend. Allerdings entschied sich ihr Konstrukteur, Captain Cowper Phipps Coles, dazu, das Schiff mit einer Vollschiff-Takelage zu versehen. Das war, angesichts des enormen Kohleverbrauchs damaliger Maschinen bei seegehenden Schiffen üblich. =>
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4. Kriegsschiffe mit großer Reichweite wurden auf Marschfahrt gesegelt. Obwohl die CAPTAIN zur Gewichtseinsparung Dreibeinmasten hatte, blieb nicht anderes übrig, als das Schiff mit sehr geringem Freibord zu konstruieren, damit die Geschütztürme möglichst tief lagen. Sonst wäre die CAPTAIN hoffnungslos toplastig gewesen.

Am 6. September 1870 kreuzte die CAPTAIN vor Kap Finisterre. Das Schiff erreichte 9,5 Knoten unter Segeln bei Windstärke 6, der im Laufe des Tages zunahm. =>

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5. Wegens des niedrigem Freibords schwappten Wellen über Deck. Das Wetter verschlechterte sich im Laufe der Nacht durch Regen, und die Segel wurden reduziert. Der Wind wehte vom Backbordbug, sodass die Segel in den Wind gestellt werden mussten, was die Geschwindigkeit stark verringerte. Eine erhebliche Kraft drückte die das Schiff seitwärts. Der Wind wurde stürmisch, die Segel mussten weiter reduziert werden. =>
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6. Kurz nach Mitternacht neigte sich das Schiff um über 18 Grad. Zu diesem Zeitpunkt meldeten andere Schiffe des Geschwaders Windstärke 9 bis 11 mit 15 m hohen Wellen. Dem war das toplastige Schiff mit seinem niedrigen Freibord nicht gewachsen. Es kenterte und sank, wobei rund 472 Menschen ums Leben kamen, darunter auch sein Konstrukteur Coles. Nur 18 Besatzungsmitglieder überlebten, indem sie es zu einem Boot schafften, das sich losgerissen hatte. =>
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7. Die NOWGOROD war ein Rundschiff ("Popowa", nach Konteradmiral Andrei Alexandrowitsch Popow, ihrem Erfinder), das in den 1870er Jahren für die Kaiserlich Russische Marine gebaut wurde. Sie war eines der ungewöhnlichsten Kriegsschiffe, das je gebaut wurde. Es heißt oft, sie sei eines der schlechtesten Kriegsschiffe aller Zeiten gewesen. Eine ausgewogenere Bewertung zeigt jedoch, dass sie in ihrer geplanten Rolle als Küstenverteidigungsschiff relativ effektiv war. =>
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8. 1868 hatte der schottische Schiffbauer John Elder die Idee, die Schiffsbreite von Panzerschiffen drastisch zu erhöhen, um die zu schützende Fläche verringern und eine dickere Panzerung sowie schwerere Geschütze zu ermöglichen. Außerdem hätte ein solches Schiff einen geringeren Tiefgang und es wäre nur eine moderate Leistungssteigerung erforderlich, um die Geschwindigkeit eines normalen Schiffes zu erreichen. Konteradmiral Popow trieb Elders Konzept auf die Spitze. =>
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9. Er ließ das Schiff noch weiter verbreitern, sodass es tatsächlich kreisförmig war. Sie erhielt einen flachen Boden, um den Tiefgang zu minimieren.

Popow entwarf die NOWGOROD um eine Anforderung der Admiralität von 1869 zur Verteidigung der Dnjepr-Bug-Mündung und der Straße von Kertsch zu erfüllen. Gefordert wurden vier sehr schwer gepanzerte Schiffe mit einem Tiefgang von 3,4 m und einer Bewaffnung mit 11-Zoll Geschützen, die nicht mehr als 4 Millionen Rubel kosten durften. =>

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10. Generaladmiral Großherzog Konstantin Nikolajewitsch wählte Ende Dezember 1869 Popows Entwurf aus. Ein Modell mit kreisförmigem Rumpf wurde gebaut und zeigte bei Tests in der Ostsee bei St. Petersburg im April 1870 gute Ergebnisse.

Popow legte dem Generaladmiral mehrere Entwürfe vor, der den größten davon auswählte. Die geschätzten Kosten dieses Panzerschiffs beliefen sich auf 4,14 Millionen Rubel, mehr als die Gesamtkosten des gesamten Programms. =>

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11. Popow war gezwungen, seinen Entwurf stark zu verkleinern.

Genehmigt wurde ein Schiff mit 96 Fuß (29,3 m) Durchmesser, bewaffnet mit zwei 11-Zoll-Geschützen und einer 12 Zoll (305 mm) starken Panzerung. Die geschätzten Kosten pro Schiff beliefen sich auf 1,94 Millionen Rubel.

Für weitere Tests wurde 1871 die KAMBALA (Flunder) gebaut, ein rundes Boot mit einem Durchmesser von 7,3 m. Ihre Probefahrten wurden als Erfolg gewertet. =>

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12. Die NOWGOROD hatte einen maximalen Tiefgang von 4,1 m und verdrängte bei normaler Beladung 2.531 t. Der Freibord betrug nur 46 cm. Trotz anfänglicher Bedenken hinsichtlich ihrer Seetüchtigkeit lag die NOWGOROD ruhig im Wasser und war deshalb eine stabile Geschützplattform. Durch ihre Rumpfform verlor sie bei schwerem Wetter allerdings an Geschwindigkeit und verlor einmal im Jahr 1877 während eines Sturms der Stärke 8 jegliche Fahrt. =>
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13. Unter bestimmten Bedingungen konnte das Schiff so stark stampfen, dass die Propeller aus dem Wasser gehoben wurden.

Der größte Nachteil ihrer Rumpfform bestand darin, dass sie die Fähigkeit des Ruders, das Schiff zu wenden, stark einschränkte. Die gewählte Lösung bestand darin, die 6 nebeneinander liegenden Maschinen zum Steuern mittels der Propeller zu verwenden und das Ruder fest zu lassen, obwohl dies die Geschwindigkeit des Schiffes verringerte. =>

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14. Sie erreichte eine Geschwindigkeit von nur etwa 6,5 Knoten. Die Antriebsmaschinerie der NOVGOROD erwies sich während ihrer gesamten Nutzungsdauer als problematisch, da sie mangelhaft verarbeitet und aus minderwertigen Materialien hergestellt war. Ihre stumpfe Rumpfform war nicht eben strömungsgünstig; sie war daher ein enormer Kohleverbraucher. Ihre Kapazität von 200 t Kohle reichte bei voller Geschwindigkeit nur 480 Seemeilen (890 km), gerade genug für ein Küstenschiff. =>
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15. 1871 wurde sie in Sankt Petersburg gebaut. Zerlegt wurde sie nach Nikolajew transportiert und dort zusammengesetzt.

Eingesetzt wurde sie hauptsächlich in der Mündung des Dnepr in das Schwarze Meer. Sie diente während des Türkisch-Russischen Krieges von 1877 bis 1878 als Teil der Donauflottille, trotz ihrer zahlreichen "Macken" einigermaßen erfolgreich. Später diente sie als Versorgungsschiff. Die Ausmusterung erfolgte 1903. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde sie verschrottet.=>

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16. Es gab noch zwei weitere Popowa. Das größere Küstenpanzerschiff KIEW, später umbenannt in VITZE-ADMIRAL POPOW und eine Staatsyacht, die LIWADIJA, wurden nach dem Popowka-Prinzip gebaut.

So, das war's für dieses Mal, weil die Popowa so viel Text benötigte, nur zwei Schiffe. Keine Sorge, es gibt nächste Woche wieder mehr.

Dieser Beitrag wurde bearbeitet. (6 Monate her)